Kardiologie up2date 2005; 1(1): 63-76
DOI: 10.1055/s-2005-861201
Aortenerkrankungen
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Diagnostik und Management der Aortendissektion - Orientierung zwischen Empfehlungen und Registerdaten

Christoph  A.  Nienaber , Kim  A.  Eagle , Hüseyin  Ince , Tim  C.  Rehders
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Publication Date:
19 April 2005 (online)

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Kernaussagen

Ätiologie

Unter den erworbenen Ursachen der Aortendissektion spielt der arterielle Hypertonus eine wesentliche Rolle, Rauchen, Fettstoffwechselstörung und möglicherweise Crack/Cocain potenzieren das Risiko der Erkrankung. Bei den vererbten Bindegewebserkrankungen mit Beteiligung der Aortenwand sind das Marfan-Syndrom, das Ehlers-Danlos-Syndrom und die familiäre Form der thorakalen Aneurysmen und Dissektionen wesentlich.

Charakteristika

Das intramurale Hämatom und die Ulzeration gelten als Vorläufer der Dissektion. Die Dissektion selbst ist durch die Intimaablösung und ein dadurch entstehendes falsches Lumen gekennzeichnet. Sie kann sich antegrad oder retrograd ausbreiten und über eine Beteiligung von Seitenästen zur Malperfusion von Organen oder Extremitäten führen.

In der klinischen Praxis wird die Aortendissektion nach Stanford oder DeBakey klassifiziert, obwohl diese Einteilungen die Pathologie der Erkrankung überhaupt nicht berücksichtigt.

Prognose

Die Mortalität bei Typ-A-Dissektion liegt mit chirurgischer Sanierung bei 20 % innerhalb eines Monats, ohne operative Intervention bei 50 %. Häufigste Todesursachen sind Aortenruptur, Schlaganfall, viszerale Ischämie oder Perikardtamponade. Die Mortalität bei Typ-B-Dissektion liegt deutlich niedriger, insbesondere wenn keine Komplikationen auftreten.

Klinik und Diagnostik

Starke Brust-, Rücken- und Bauchschmerzen sind typische Zeichen einer Dissektion (insbesondere wenn ein Hypertonus oder eine Bindegewebserkrankung anamnestisch eruierbar ist); bei einer Typ-A-Dissektion können in ca. 20 % neurologische Störungen oder Synkopen Initialsymptom sein. Im weiteren Verlauf sind Malperfusionssyndrome oft wegweisend.

Diagnostisch ist bei der klinischen Untersuchung auf Pulsdefizite oder Seitenunterschiede zu achten, die auch eine prognostische Bedeutung haben. Entscheidend für die Diagnose ist letztlich die nichtinvasive Bildgebung, wobei am häufigsten die CT und dann eine TEE/TTE durchgeführt wird. Damit ist in der Regel auch eine Aussage über die Koronarien möglich und in 10 - 25 % kann ein intramurales Hämatom abgegrenzt werden.

Therapie

Neben dem intensiven Monitoring und der Kontrolle von Blutdruck (durch Betablockade und evtl. Nitroprussidnatrium Einstellung auf Werte um 110 mm Hg systolisch) und Schmerzen sind vor allem die Indikationen zur sofortigen Intervention zu berücksichtigen:

hämodynamische Instabilität,

Dissektion (oder IMH) des Bogens und der Aorta ascendens,

großes Aortenulkus auf einer vorbestehenden Plaque,

periaortales Blut,

plötzlich auftretende Aorten- oder Koronarinsuffizienz bei gesicherter Dissektion.

Bei der Typ-A-Dissektion wird das gesamte dissezierte Segment der proximalen Aorta und, wenn notwendig, des dissezierten Anteils des Aortenbogens ersetzt (Interpositionsgrafts und Compositgrafts). Die Aortenklappe kann ggf. rekonstruiert werden. Die operative Mortalitätsrate liegt zwischen 15 und 30 %.

Bei der Typ-B-Dissektion besteht eine Indikation zur Intervention, wenn lebensbedrohliche Komplikationen auftreten oder verhindert werden müssen. Dabei ist die interventionelle Therapie der Chirurgie mittlerweile überlegen, wobei ein spezialisiertes Team aus interventionell tätigen Kardiologen oder Radiologen bzw. Gefäßchirurgen Voraussetzung ist. Ziel der Intervention ist es, die Aorta komplett zu rekonstruieren. Eine weitere Indikation ist die sog. stabile Typ-B-Dissektion, bei der - präventiv - die Aneurysmabildung des falschen Lumens verhindert werden soll.

In der Nachsorge der Aortendissektion sind insbesondere die Blutdruckoptimierung (auf unter 130/80 mmHg) und die regelmäßige Dokumentation des aortalen Befunds wesentlich. Bei einem Durchmesser > 5,5 cm (Patienten mit Marfan-Syndrom 4,5 cm) ist eine chirurgische Sanierung erforderlich, bei rascher Progression der Erkrankung auch früher.

Literatur

Prof. Dr. med. Christoph A. Nienaber

Universität Rostock, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin, Abt. Kardiologie

Ernst-Heydemann-Str. 6 · 18057 Rostock

Email: christoph.nienaber@med.uni-rostock.de